Die Landtagswahlen in Bayern und Hessen stehen vor der Haustür. Uns hat interessiert, mit welcher Strategie Populisten die Mobs durch virtuelle Straßen sozialer Netzwerke treiben. Die Facebook-Seite der AfD schien uns ein geeignetes Untersuchungsobjekt.
Wir haben die Aktivität der AfD auf Facebook seit März analysiert und dazu mehr als 1000 Posts qualitativ ausgewertet.
AfD schlägt etablierte Parteien auf Facebook
Die AfD-Seite ist den Fanpages der etablierten Parteien in vielerlei Hinsicht voraus:
- Post-Frequenz. Unsere Auswertung hat ergeben, dass die Partei durchschnittlich 4,5 mal am Tag postet. Das ist mehr als doppelt so oft wie die durchschnittliche Bundestagspartei.
- Fans. Mit 429.000 Fans liegt sie weit über dem Durchschnitt von 194.000.
- Wachstum. Auch wächst sie am stärksten von allen. Ihr wöchentliches Wachstum liegt bei 0,44%, der Durchschnitt bei 0,07%.
- Engagement. Das Engagement setzt die Interaktionen auf einer Seite in Relation zu ihrer Anzahl an Fans. Auf die Posts der AfD-Seite wird heftig reagiert. Mit 6,2% erreicht die Partei einen weit höheren Engagement-Wert als die restlichen Parteien im Bundestag, die im Schnitt nur 0,8% erreichen.
Gut verärgert ist halb gehetzt
Wikipedia definiert Hetze als “Äußerungen oder Handlungen […], die Hassgefühle, feindselige Stimmungen und Emotionen gegen jemanden oder etwas erzeugen”.
Feindselige Emotion lässt sich auf Facebook durch das Klicken des Angry-Buttons ausdrücken. Um Nutzer aufzuhetzen, muss man sie dazu bringen wütend auf Posts zu reagieren. Das gelingt der AfD.
Bei keiner anderen Partei reagieren so viele Nutzer wütend auf Posts wie bei der AfD. 73% der benutzten Stimmungs-Reactions (Love, Haha, Wow, Sad, Angry) auf der Seite waren wütend. Das entspricht im Schnitt 841 Angrys pro Post. Bei den restlichen Parteien waren es 32% beziehungsweise 42 Angrys pro Post.
Unsere Analyse hat ergeben, dass die Posts mit den meisten wütenden Reaktionen auch die meisten Kommentare und Shares bekamen. Wütende Menschen sind nicht nur im realen Leben am lautesten, sondern auch auf Facebook. Sie haben das Bedürfnis die Inhalte, die sie erregt haben, weiterzuverbreiten.
Je mehr Nutzer auf einen Post reagieren, umso mehr Relevanz erhält dieser vom Facebook-Algorithmus und umso weiter wird er im Netzwerk verbreitet. Dabei gilt jedoch, nicht jede Art der Interaktion ist gleich viel wert: Reactions (Like, Love, Haha, Wow, Angry und Sad) zählen weniger als Kommentare, Kommentare zählen weniger als Shares. Auf „Share“ klickt man aber nicht einfach mal eben. Das macht man nur, wenn man den Inhalt des Beitrags, warum auch immer, besonders wichtig, spannend, lustig oder sonst-wie teilenswert findet und man möchte, dass mehr Leute davon erfahren.
Je öfter ein Post, dessen Inhalt die Nutzer wütend macht, geteilt wird, desto wirksamer ist die Hetze.
Das klappt bei der AfD ziemlich gut. Posts der Seite wurden im Schnitt 2.000 mal geteilt. Das ist ein sehr hoher Wert. Damit liegt der Anteil an Shares von allen möglichen Interaktionen bei 32%. Zum Vergleich: Bei den etablierten Parteien im deutschen Bundestag waren es nur 17% und 143 Shares pro Post.
Was hetzt am besten?
Um diese Frage zu beantworten, haben wir alle Posts der AfD im Zeitraum März bis Oktober 2018 auf ihre inhaltlichen Merkmale untersucht und mit Schlagwörtern versehen. Die Schlagwort-Gruppen schließen sich nicht unbedingt aus, ein Post kann verschiedenen Kategorien angehören. Bei der Vergabe der Schlagwörter wurde auf den Inhalt sowohl des Beitragsbildes als auch des Beitragstextes geachtet. Video-Posts sowie im Nachhinein gelöschte Posts wurden ausgenommen.
Es sind sowohl Kategorien entstanden, die politische Themen wie Klima, Bildung, Europa, Digitalisierung, Armut, Diesel oder Flüchtlings– und Asylpolitik beschreiben, als auch Kategorien, die stilistische Merkmale der Posts beschreiben, wie Anti-Merkel, deutsche Flagge, AfD rockt!, AfD wird gemobbt oder Gesichter.
Auffällig ist, dass 58% aller Posts um das Thema Migranten kreisen. Die Themen Klima, Wohnungsnot, Digitalisierung liegen jeweil unter 1%, Bildung macht nur 1,4% der Posts aus.
Wir haben alle Schlagwörter ausgewertet und nach folgenden Faktoren den Hetz-Wert der Kategorien bestimmt.
- Wo gab es die meisten wütenden Reaktionen pro Post?
- Welche Kategorie erhielt die meisten Shares pro Post?
- Wo wurde am meisten kommentiert?
- Wo wurde insgesamt am meisten interagiert?
- Wie groß ist der Anteil der Kategorie an den Posts insgesamt?
Für einen hohen Hetz-Wert ist zunächst wichtig, dass die Posts in einer Kategorie viele wütende Reaktionen erhalten. Auch hier zählt dann, Shares zählen mehr als Kommentare und die Post-Interaktion. Hat eine Kategorie beispielsweise sehr viele Shares und Kommentare, aber keinerlei wütende Reaktionen, so ist der Hetz-Wert geringer, als bei einer Kategorie, die viele Angrys erhielt.
Die folgenden Kategorien sind durch besonders hohe Werte herausgestochen.
1. Tatbericht
Eine Postkategorie, die sehr viel Emotion unter den Nutzern erzeugt, ist die Kategorie Tatbericht. Sie umfasst Beiträge, in denen bestimmte, vermeintlich von Migranten begangene, Gewaltstraftaten dargelegt werden. Meist zeigen die Beitragsbilder unangenehme Motive wie blutige Messer, vermummte Gestalten, Feuer, Blaulicht, eine schreiend auf dem Rücken liegende Frau. Man kann erahnen, welche Assoziation beim Betrachter hervorgerufen werden soll. Angst vor, Wut auf und Abwehr gegen Migranten.
Und es funktioniert: Posts vom Typus Tatbericht erhalten mit 2,1% mehr Interaktionen als alle anderen Kategorien. Das entspricht ca. 8.700 Interaktionen pro Post. Hier ein Beispiel:
Die Daten zeigen eindeutig, dass Tatberichte bei den Nutzern negative Stimmung auslösen. Auf keine andere Kategorie wurde mit mehr Wut reagiert, durchschnittlich 2.100 Angrys pro Post. Außerdem wurden diese Posts durchschnittlich 3.500 mal geteilt.
Insgesamt macht diese Kategorie 21% der AfD-Posts aus, das entspricht 145 Posts seit März.
2. Bashing
Diese Kategorie beinhaltet Posts, in denen andere Parteien oder Politiker runtergemacht werden. Die AfD vergibt hier verschiedenste hämisch Spitznamen und berichtet ironisch und überspitzt empört über Fehltritte der Kollegen. Das reicht von ganz subtil bis hart an der Grenze zur Ausfälligkeit. Hier ein Beispiel:
Mit 268 Hahas pro Post wurden mit der Kategorie Bashing die meisten Nutzer zum Lachen gebracht. Außerdem wurden sie im Schnitt 1.700 mal geteilt und erhielten 735 Angrys.
Insgesamt macht diese Kategorie 19% der AfD-Posts aus, das entspricht 132 Posts seit Januar.
3. Anti-Merkel
Eine Teilgruppe der Kategorie Bashing bilden Posts, die die Bundeskanzlerin angehen. Wir haben sie Anti-Merkel genannt. In dieser Kategorie findet sich der Post, der die meisten Angrys von allen Untersuchten bekam. Das Bild titelt “Gehaltserhöhung für die Flüchtlingskanzlerin” und zeigt Angela Merkel mit einem großen Geldsack:
5.400 mal haben Nutzer mit Wut auf diesen Beitrag reagiert. Er wurde 8.700 mal geteilt und bekam 2.100 Kommentare.
Insgesamt 11% der AfD-Posts stellen Angela Merkel in schlechtes Licht.
4. Wir werden abgezockt!
Eine weitere Kategorie, die für viel Ärger bei den Nutzern sorgt. Dazu gehören Posts, die zeigen sollen, dass den deutschen Steuerzahlern durch die Regierungspolitik das Geld aus der Tasche gezogen wird. Insgesamt fallen knapp 11% der AfD Posts unter diese Kategorie.
Dazu zählen Posts über das gescheiterte Euro-Experiment, die drohende Altersarmut, das Dieselfahrverbot sowie Beiträge darüber wie viel Geld den deutschen Bürgern zugunsten von Migranten weggenommen wird.
Fazit
Eines ist klar: die AfD ist den etablierten Parteien in Sachen Social-Media-Management im Moment klar überlegen. Unter den Parteien im deutschen Bundestag ist sie diejenige, die auf Facebook die meisten Fans hat, die meisten Posts pro Tag veröffentlicht und die meisten Interaktionen pro Post erhält. Die Partei schafft es so, ihre feindseligen Inhalte mit großem Momentum auf Facebook zu verbreiten und damit mehr Unmut gegenüber Ausländern zu säen. Am besten gelingt das mittels Posts der Kategorie Tatbericht, die Migranten als Gewaltverbrecher darstellt und rund 21% der AfD-Posts umfasst. Unter keinem anderen Schlagwort fanden wir so viele wütende Reaktionen, Kommentare und Shares.